Beherztes Hilfeleisten trotz Ansteckungsrisiko – angepasste Leitlinien für die Herzdruckmassage
Seit der weltweiten Coronapandemie2020 wissen wir, wie wichtig Infektionsschutz ist. Das Tragen von Masken, regelmäßiges Händewaschen und ein Abstand von mindestens 1,5 Metern macht den Kern dieser Schutzmaßnahmen aus. Doch was tun, wenn jemand zusammenbricht und Hilfe benötigt? Ein Szenario, das schon vor der Pandemie in hohem Maße angstbesetzt war. Nun tritt auch noch die Verunsicherung aufgrund einer möglichen Ansteckung mit SARS-CoV-2 hinzu. Es ist daher umso wichtiger, sich mit den angepassten Empfehlungen für die Ersthilfe und Herzdruckmassage vertraut zu machen.
In Deutschland sterben jährlich zwischen 60 und 70 Tausend Menschen an einem Herzkreislaufstillstand. In den meisten Fällen kommt es zunächst zum Ausfall der Blutzirkulation, dann zum Atemstillstand und zum klinischen Tod. Eine zeitnahe Wiederbelebung ist prinzipiell möglich. Weder die reine Herzdruckmassage, noch die Herzdruckmassage in Kombination mit einer Mund-zu-Mund-, beziehungsweise Mund-zu-Nase-Beatmung zielt aber auf eine solche Wiederbelebung ab. Vielmehr soll durch die Aufrechterhaltung der Herzkreislauffunktion das unwiederbringliche Absterben wichtiger Organe verhindert werden. Die Laien-„Reanimation“ dient also der Überbrückung bis zur Reanimation des Herzens mithilfe eines Defibrillators oder der Gabe von entsprechenden Medikamenten. Ohne die vorangegangene Hilfeleistung durch Laien wird eine erfolgreiche Reanimation jedoch unwahrscheinlich. Selbst wenn eine Reanimation gelingt, kann es bei zu spät oder zu zögerlich erfolgter Herzdruckmassage zu einer Unterversorgung des Gehirns mit sauerstoffreichem Blut gekommen sein. Bleibende Hirnschäden sind die Folge. Beherztes Hilfeleisten ist also geboten.
Bei Erwachsenen führen in den meisten Fällen Herzprobleme zu einem Kreislaufstillstand. Setzt der Herzschlag vollkommen aus, folgt unweigerlich ein Kreislaufstillstand. Aber auch ein Infarkt oder Herzrhythmusstörungen können zu einem Kreislaufstillstand führen. Seltener treten Schlaganfälle oder Lungenerkrankungen als Ursache auf. Wie häufig ein Herzkreislaufstillstand in Zusammenhang mit Covid-19 auftritt, lässt sich zurzeit nicht bestimmen.
Bei einem durch Herzprobleme bedingten Kreislaufstillstand verliert die betreffende Person schnell das Bewusstsein. Nach ungefähr einer halben Minute kommt es zu einer Schnappatmung, also abruptem, kurzem und unregelmäßigem Luftholen, das keine reguläre Luftversorgung des Körpers gewährleistet. Anschließend setzt die Atmung ganz aus. Dieser Vorgang wird auch als plötzlicher Herztod bezeichnet. Durch eine Herzdruckmassage und die anschließende Reanimation kann der tatsächliche Tod aber noch abgewendet werden.
Häufig tritt ein solcher Notfall nicht in der Öffentlichkeit, sondern in Haushalten auf. Das Vorgehen für Ersthelfer ist aber in beiden Fällen das gleiche. Kollabiert eine Person, oder wird liegend und scheinbar bewusstlos vorgefunden, muss zunächst überprüft werden, ob diese noch ansprechbar ist. Auf das Rütteln an den Schultern wird aufgrund des Ansteckungsrisikos verzichtet. Wenn lautes Ansprechen zu keiner Reaktion führt, ist die Atmung zu überprüfen. Vor der Covid-19 Pandemie wurde empfohlen, sich hierzu dicht dem Gesicht der hilfsbedürftigen Person zu nähern. Nach den neuen Leitlinien ist es ausreichend, die Atmung visuell zu prüfen. Die oben beschriebene Schnappatmung zählt nicht als reguläre Atmung. Hebt und senkt sich der Brustkorb oder Bauch nicht sichtbar, muss nicht nur ein Notarzt gerufen, sondern auch mit der Herzmassage begonnen werden. Eine zweite Person kann unter Einhaltung des Sicherheitsabstandes helfen, und mit dem Notdienst in Kontakt bleiben. Das Telefonat darf nicht ohne Aufforderung beendet werden. Das Personal kann bis zum Eintreffen des Krankenwagens Hilfestellung bei der Herzmassage leisten und muss möglicherweise noch Nachfragen stellen, zum Beispiel, wenn die Ortsangabe nicht eindeutig ist. Ist keine weitere Person anwesend, kann dazu auch die Freisprechfunktion des Telefons aktiviert werden. Bereits vor der Pandemie wurde die Gabe einer kombinierten Herz-Lungen-Wiederbelebung durch Laien nicht von allen Seiten befürwortet. So empfahl die Deutsche Herzstiftung bereits vor Covid-19 ausschließlich eine Herzdruckmassage durchzuführen, bis entweder der Notarzt oder ein Automatisierter Externer Defibrillator (AED, auch Laien-Defibrillator oder kurz Defi genannt) eintrifft. Die Gabe einer Herzdruckmassage ohne Beatmung kann deshalb erfolgreich sein, weil bei einem Kollaps durch Herzstillstand die Sättigung des Blutes mit Sauerstoff noch für einige Minuten ausreichend ist. Das mechanische Einwirken auf den Herzmuskel von außen kann dann die normale Herzfunktion ersetzen und den Blutfluss am Laufen halten. Damit dies gelingt und Blut durch den gesamten Körper und vor allem zum Gehirn gelangt, muss ausreichend Kraft eingesetzt werden. Das bedeutet, dass das Brustbein etwa auf der Höhe der Brustwarzen ca. 5 bis 6 cm tief eingedrückt werden muss. Um dies zu gewährleisten sollten die Ellbogen des Hilfeleistenden durchgedrückt sein. Wenn sich der Vorfall zu Hause ereignet hat, liegt die kollabierte Person möglicherweise auf einem weichen Untergrund, der eine effektive Herzmassage verhindert, zum Beispiel einem Sofa oder einer Matratze. In diesem Fall sollte die Person auf einen harten Untergrund gelegt werden. Besonders bei dicker Winterkleidung kann es sinnvoll sein, diese für eine Herzmassage zu öffnen. So wird der Druck nicht abgefedert und die richtige Handposition kann besser eingeschätzt werden. Die Deutsche Herzstiftung spricht sich allerdings gegen das Entfernen der Kleidung aus, da dies wichtige Sekunden kosten kann. Die Frequenz, mit der die Massage erfolgen muss, ist recht hoch und liegt bei 100 bis 120 Stößen pro Minute, was in etwa dem Takt des Bee Gees Klassikers „Stayin‘ Alive“ entspricht. Da dies auf die Dauer sehr anstrengend ist, ist es sinnvoll sich nach Möglichkeit mit einer zweiten Person abzuwechseln. Eine Neuerung im Zuge der Pandemie ist die Empfehlung ein leichtes, dünnes Stück Stoff oder ein Papiertaschentuch über Mund und Nase der hilfsbedürftigen Person zu legen, sofern diese nicht ohnehin bereits eine Mund-Nasen-Bedeckung trägt. Obwohl die Person in diesem Szenario selbst nicht atmet, ist dennoch davon auszugehen, dass Aerosole durch die Druckmassage ausgestoßen werden. Auch die Helferin oder der Helfer können eine Maske tragen oder schnell anlegen. Erst wenn die eingetroffenen Notärzte oder die automatische Ansage des AED dazu auffordert, darf mit der Massage aufgehört werden. Ein Laien-Defibrillator ist mittlerweile an vielen Punkten des öffentlichen Raums zu finden, zum Beispiel in Bahnhöfen, Hotels und Ämtern. Wenn mehr als eine Person Hilfe leistet, kann, während die Herzdruckmassage weiter ausgeführt wird, ein Defibrillator geholt werden. Wenn der Defibrillator eintrifft, müssen die Anweisungen zum Anlegen von Elektroden befolgt werden. Anschließend analysiert das Gerät die physische Situation des Hilfsbedürftigen, leitet die Hilfeleistenden an und entscheidet, ob ein elektrischer Schock notwendig ist oder nicht.
Die deutsche Herzstiftung warnt in Folge der Covid-19-Pandemie eindringlich davor, dass die Bereitschaft Hilfe zu leisten, sinken könnte und es in der Folge zu einem Anstieg von vermeidbaren Todesfällen kommt. Damit Sie Ihrer Angst vor einer möglichen Ansteckung und davor, etwas falsch zu machen, im Ernstfall besser begegnen können, haben wir die angepassten Leitlinien noch einmal übersichtlich zusammengefasst:
Leicht zu merken: Prüfen – Rufen – Drücken – Schocken
Prüfen: Überprüfen Sie die kollabierte Person auf Bewusstlosigkeit und Atmung. Reagiert die Person auf Ansprechen und Rufen? Hebt und Senkt sich Brustkorb oder Bauch regelmäßig?
Rufen: Wählen Sie den Notruf. Die Notrufnummer ist EU-weit die 112. Legen Sie nicht vorschnell auf, sondern warten Sie auf Nachfragen.
Drücken: Bei Bewusstlosigkeit und Atemstillstand oder Schnappatmung beginnen Sie mit der Herzdruckmassage. Decken Sie Mund und Nase der Person mit einem dünnen Tuch ab. Legen Sie beide Hände übereinander auf die Mitte des Brustkorbs der Person. Strecken Sie die Ellbogen durch und drücken Sie 100 bis 120mal in der Minute fest senkrecht nach unten. Der Brustkorb sollte sich spürbar senken, etwa 5 bis 6 cm tief. Die Frequenz entspricht dem Takt von „Stayin‘ Alive“. Hören Sie nicht auf, bis Sie durch das Rettungsteam oder die Anweisung des Defis dazu aufgefordert werden.
Schocken: Wenn eine weitere Person einen Laien-Defibrillator zum Notfallort bringt, können Sie die kollabierte Person damit weiter behandeln. Der Defibrillator gibt hierzu Anweisungen.
Informationsmaterial zur Reanimation und weiteren Herzthemen erhalten Sie auch auf der Web-Seite der Deutschen Herzstiftung.